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Flowbiker Langstrecke

Burning Roads 2019

Nach einer mehr als erfolgreichen Premiere vor zwei Jahren wollten Philipp und ich unbedingt wieder zurück auf die brennenden Straßen. Unser Bericht über die 2019er-Edition.

Bei der Anfahrt sind Philipp und ich uns noch nicht ganz so sicher, ob wir unser Vorhaben wirklich durchziehen wollen – und ausnahmsweise sind nicht die lange Distanz oder die vielen Höhenmeter abschreckend, sondern das Wetter. Während wir früh morgens über die Autobahn Richtung Osnabrück düsen, kommt es nur so literweise vom Himmel. Einziger Lichtblick: Im Laufe des Tages soll es laut Bericht wieder besser werden. Also: Zähne zusammenbeißen und durch. Trotzdem bleiben Philipp und ich nach unserer Ankunft in Ochtrup erst einmal 20 Minuten im Auto sitzen, um nicht nass zu werden. So ganz hart im Nehmen sind wir also vielleicht doch nicht – zumindest noch nicht vor dem eigentlichen Event.

Das große Wiedersehen

An der Startlinie treffen wir altbekannte Gesichter wieder: Birgit, Achim und Johannes begrüßen uns herzlich und weisen uns direkt in die Startgruppe mit ein. Die letzten Energiereserven vor Start noch einmal ordentlich mit Streuselkuchen auffüllen, dann geht es auch schon los. Gerade, als es wieder leicht zu nieseln beginnt, lässt uns Streckenmeister Thorsten auf die Strecke. Der Start ist schnell: Erneut stehen erst einmal knapp 30 Kilometer flaches Aufwärmen an, was wir in unserer Gruppe wortwörtlich nehmen. Nach einer kurzen Pinkelpause übernehmen Philipp und ich direkt die Spitze und machen vielleicht sogar etwas zu viel Tempo – die Motivation ist groß. Die herrliche Landschaft und die langsam aufgehende Sonne haben uns jetzt schon wieder in ihren Bann gezogen. Die Straßen brennen wieder.

Zu zweit im Flowbiker-Modus

Es folgt der erste Anstieg, der die mittlerweile aus wohl drei Startblöcken zusammengewachsene Gruppe weit auseinanderreißt. Die Köpfe sinken, der Blick fällt auf das Oberrohr, ich versuche mich noch mit „Ich bin dieses Jahr überhaupt nicht trainiert“ zu entschuldigen, da düsen Philipp und ich wieder einmal davon. Als wir wieder auf flacher Strecke ankommen und uns umdrehen, ist kaum noch jemand hinter uns. Und so rollen wir erst einmal wieder zu zweit bis zur ersten Versorgungsstation. Ein Modus, der mir besonders gut gefällt: Das Fahren in der Gruppe ist zwar effizient und kommunikativ immer spannend, setzt mich aber irgendwie auch immer unter Stress. Philipps Fahrstil kenne und vertraue ich da deutlich mehr und mit ihm zusammen komme ich wirklich in einen „Flow“-Modus. Und dann erleben wir wohl das Highlight der Tour: Auf einer Abfahrt entlang einer Pferdekoppel leisten uns plötzlich drei stolze Pferde Gesellschaft und galoppieren im selben Tempo wie wir den Hügel hinab – mit den durch die Bäume blinzelnden Sonnenstrahlen ein magischer Moment. Die nächsten Kilometer machen unheimlich Spaß und nach gefühlt drei weiteren Pinkelpausen rollen wir als einige der ersten an die Pausenstation.

Allein auf weiter Flur: Nach dem Start mit der Gruppe setzten wir uns doch häufig wieder ab

Immer genug Streuselkuchen bunkern

Der Streuselkuchen muss sein, ich werde auch schon wieder paranoid: Bei so regem Treiben muss ich auf jeden Fall noch ein paar Stücke abgreifen. Auch sonst ist die Verpflegung wieder einmal traumhaft und lässt keinen Wunsch offen. Die anderen Fahrer kommen und gehen und wir warten noch auf unsere Startgruppe um Birgit. Als wir zusammen wieder losrollen, sind die meisten anderen schon wieder auf der Strecke. Einige Anstiege lassen die Gruppe zwar immer wieder auseinanderfallen, doch jetzt bleiben wir erst einmal für einige Zeit zusammen. Als sich der vordere Teil der Gruppe kurz verfährt, ergreifen Philipp und ich allerdings wieder die Initiative – dieses Mal zu dritt: Gemeinsam mit Christian aus Birgits Verein machen wir jetzt gutes Tempo und fliegen die nächsten Anstiege nur so hinauf. Mittlerweile ist es schon später Vormittag und die Straßen müssten voller Autos sein – wir aber genießen die geniale Streckenplanung auf leeren Panoramastrecken durch das Wiehengebirge.

Kämpfen im Wind

Nach der zweiten Pause starten wir zwar wieder in der Gruppe, setzen uns jedoch auch hier wieder recht schnell ab. Dabei steuern wir mittlerweile auf Melle und damit den Scheitelpunkt des Rundkurses zu – ab nun würde es also bereits wieder in Richtung Start gehen und damit leider auch genau in den Wind. Erschwerend ließen die nächsten Windschatten spendenden Anstiege genau jetzt auf sich warten und auch die Straßen waren plötzlich deutlich befahrener. Als wäre das nicht genug, setzte bei mir leider auch noch nicht der erhoffte Streuselkuchen-Turbo in den Beinen ein. Philipp ging also in Führung und steuerte uns beide durch den Wind. Schnell waren wir jetzt nicht, wir beide befanden uns kräftemäßig eher auf einem Tiefpunkt. Während wir also die ganze Zeit darauf warteten, von hinten wieder aufgeholt zu werden, überholten wir selbst noch einen Einzelkämpfer. Jetzt alleine im Wind? Hut ab!

Verdient: Das Mittagessen vom großen Nudel-Buffet

Unerwartetes Gravel-Abenteuer

Bis wir endlich zur großen Mittagspause am nächsten Verpflegungsposten gelangten, verging ein langer und mühseliger Kampf mit den Pedalen. Als wir in Wellingholzhausen unerwartet in eine Baustelle gerieten, sprudelten die Schimpfwörter nur so aus uns raus. Angst um platte Reifen machte sich breit. Doch alles lief gut, die Teller Nudeln auf dem Campingplatz in Bad Rothenfelde hatten wir uns jetzt mehr als verdient. Erst hier trafen wir unsere Gruppe wieder und machten uns anschließend mit vollen Mägen gemeinsam auf den Weg. Ausnahmsweise blieben wir auch für lange Zeit zusammen und rollten gemeinsam in einen kleinen Regenschauer rein. Als wir mit den knapp 20 Fahrerinnen und Fahrern im Grupetto auf die Tankstelle rollten, staunte der Tankwart wohl nicht schlecht. Statt Super E10 wollten wir aber nur an unsere Wind- und Regenjacken.

Mortirolo-Feeling im Teutoburger Wald

Bei den ersten folgenden Anstiegen verließ Philipp bereits die Gruppe wieder, um im eigenen Tempo gegen den Berg zu kämpfen, ich genoss noch etwas das sehr entspannte Tempo in der Gruppe. Doch das wurde mir dann irgendwann auch zu entspannt, Philipp und ich machten uns beim Ausziehen der Windjacken wieder davon. Weiterer Vorteil vom Flowbiker-Modus: Man kriegt nicht den feuchten Dreck von der Straße vom Vordermann ins Gesicht gespritzt. Trotz nasser Straßen und dreckigen Rädern folgten nun wieder etwas ruhigere und schönere Streckenabschnitte mit einigen schönen Abschnitten. Im Teutoburger Wald vor Tecklenburg dann sogar einmal Mortirolo-Feeling: Eine enge Straße führte plötzlich ziemlich steil hinauf. Und man mag es kaum glauben: Trotz müder Beine machte es richtig Spaß. Einziger Wermutstropfen: Die Straßenbeläge glichen auch eher einem Alpenpass nach einem harten Winter, was besonders auf den Abfahrten hohe Konzentration erforderte.

Da brennen die Straßen wieder – und bei manchen auch das ein oder andere Körperteil

Zurück in der Gruppe

In Tecklenburg folgte dann bereits der letzte Anstieg und es gab noch einmal eine letzte Pause an einer historischen Trecker-Sammlung. Unser Plan für die letzten 50 Kilometer im Gegenwind: Mit den müden Beinen nun von der Gruppe ins Ziel ziehen lassen. Das klappte auch sehr gut, dieses Mal konnte sogar ich das Fahren im Pulk genießen. Recht schnell war ich vorne und zog die Gruppe sogar einige Kilometer zusammen mit Johannes, ehe Philipp und Birgit übernahmen. Die Kilometer verflogen und während ich Birgit schon wieder irgendwo in der Gruppe sehen konnte, ließ sich Philipp nicht von der Spitze drängen. „Was für ein Tier“, dachte ich da noch, und wir alle waren mehr als dankbar, dass unser Zugpferd jetzt noch einmal alle Körner rausholte, um uns ins Ziel zu ziehen.

Unspektakuläres Ende

Das kam dann am Ende schneller als gedacht, dennoch überrollten wir die Ziellinie dieses Mal mehr als eine halbe Stunde später, obwohl wir uns deutlich schneller gefühlt haben. Stress hatten wir ja keinen – bis 22 Uhr sollte das Ziel ja besetzt sein – doch als wir an der Schule eintrafen, war dort kaum noch etwas von Ziel-Stimmung zu sehen: Die letzten Zelte wurden bereits in den Transporter gepackt und nur durch Glück konnten wir noch direkt aus dem Bulli ein paar Stücke Streuselkuchen ergattern. Das Ziel-Banner für das obligatorische Finisher-Foto hielten wir provisorisch selbst, die Bezäunung stand leider auch schon nicht mehr. Etwas enttäuscht vom mauen Ende eines eigentlich so gelungenen Tages ging es nun also wieder nach Hause. Und doch steht fest: Das war nicht unser letztes Mal auf den brennenden Straßen. Die Motivation steht auf jeden Fall: Sollte das Ziel nächstes Mal nicht etwas länger stehen, müssen wir halt etwas mehr in die Pedale treten.

Nach 335 Kilometern angekommen im Ziel – auch wenn davon nicht mehr viel zu sehen ist (außer Streuselkuchen in meiner Hand)

Die brennenden Straßen auf Strava bei Philipp und bei mir

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