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USA 2016

Die letzte Grenzüberquerung

Welcome to California: Heute ging es in den letzten Staat auf meiner Tour
Welcome to California: Heute ging es in den letzten Staat auf meiner Tour – der mich übrigens direkt mit einem langen Anstieg begrüßte

Welcome to California! Nach dem kleinen Abstecher nach Nevada ging es heute in den letzten Staat auf meiner Reise. Und der begrüßte mich direkt mit langen Anstiegen und viel Gegenwind.

Ein Morgen voller Verzögerungen

Ein bequemes Hotelbett macht das Aufstehen sehr viel schwieriger. Mein Plan, wieder früh zu starten und der Hitze wenigstens am Morgen etwas aus dem Weg zu gehen, scheiterte daran leider direkt. In weiser Voraussicht hatte ich mir aber die Vorhänge nicht zugezogen, so dass ich dann doch gegen sechs Uhr aufstand und die letzten Sachen packte. Bereits beim Ankommen im Hotel genoss ich den Luxus eines Gepäckträgers, der bei meinen ganzen Kleinteilen ein großer Vorteil war. Doch leider hätte ich heute Morgen fast eine halbe Stunde warten müssen. Da ich eh schon spät dran war, machte ich mich also selbst auf den Weg. Zwei Mal aus dem 20. Stock zum Fahrrad und zurück – das kostete mich am Ende fast genau so viel Zeit. Auch der Check-Out dauerte etwas länger als gedacht. Und als ich dann endlich auf dem Rad saß und bereits die ersten Meter zurückgelegt hatte, fiel mir auf, dass ich die Strecke noch gar nicht auf dem Garmin hatte. Also schnell auf dem Bürgersteig Surface raus und auch das noch nachgeholt.

Etwas verspätet ging es los - und auf den ersten Kilometer noch einmal über den gesamten Strip
Etwas verspätet ging es los – und auf den ersten Kilometer noch einmal über den gesamten Strip

Ein letztes Mal über den Strip

Nach all diesen Verzögerungen war ich dann endlich froh, als ich mich wirklich in Bewegung setzte. Doch die Freude hielt nicht lange: Auf dem Strip, über den es jetzt die ersten Kilometer ging, waren die alle hundert Meter stehenden Ampeln leider immer zu meinem Nachteil geschaltet. Mehr als eine Stunde benötigte ich also für die knapp 15 Kilometer aus der Stadt heraus. Dafür gab es noch einmal einen finalen Blick auf all die riesigen Hotels – den ich dank der Wartezeiten an den Ampeln auch ausgiebig nutzte. Am Ende sah ich sogar noch ein paar Hotels wie das pyramidenförmige „Luxor“, die ich bisher noch nicht besucht hatte. Es folgten noch ein paar Outlet-Shops und ein riesiges Hotel und Casino am Stadtrand, ehe die Steppenwüste wieder Überhand gewann.

Kaum raus aus Las Vegas, folgte wieder die weite und leere Steppenlandschaft. Nicht ganz: Plötzlich tauchten diese bunten Steine am Horizont auf
Kaum raus aus Las Vegas, folgte wieder die weite und leere Steppenlandschaft. Nicht ganz: Plötzlich tauchten diese bunten Steine am Horizont auf

Ein Tornado und bunte Steine

Auch hier außerhalb Las Vegas folgte ich weiterhin dem South Las Vegas Boulevard, an dem auch der Strip liegt und der immer parallel zur dicht befahrenen Interstate 15 verläuft. Der Wind nahm mittlerweile immer mehr zu, so dass ich meinen Modus auf „Langsam kommt man auch ans Ziel“ wechselte und mit lockeren 15 km/h den leichten Anstieg gegen den Wind bezwang. Zwischendurch kamen sogar so starke Böen auf, dass sich neben mir sogar ein keiner Tornado bildete, der den ganzen Sand durch die Gegend wirbelte. Gerade, als es wieder langweilig wurde, tauchten mitten in der Wüste dann plötzlich bunte Steine auf – wie sich herausstellte, ein Kunstwerk des Nevada Museum of Art.

Und wieder auf die Interstate
Und wieder auf die Interstate

Mittagspause in Primm

Nach insgesamt 46 Kilometern auf der historischen Straße war es in Jean, das eigentlich nur aus einem riesigen Hotel und einem Casino bestand, dann auch für mich wieder soweit: Es ging auf die dicht befahrene Autobahn. Sogar ein Schild „Bike Route“ leitete mich auf die Auffahrt. Dank vieler an mir vorbeiziehender Trucks konnte ich sogar eine Art „künstlichen Rückenwind“ genießen, so dass ich auch in eine Art Autobahn-Tempo übergehen konnte. Bis Primm verflogen die Kilometer deshalb auch ziemlich schnell. In der „Stadt“ an der Grenze zu Kalifornien gab es ebenfalls nur ein riesiges Hotel und ein Casino – und einige Fast-Food-Restaurants. Das nutzte ich für eine Mittagspause aus. Schreck: Meinem iPhone schien die Hitze nicht ganz bekommen zu sein, der eben noch voll geladene Akku zeigte plötzlich nur noch 4% an. Dabei kam es mir – wahrscheinlich wegen des Gegenwindes – gar nicht so warm vor.

Das Trio der Quälerei

Nachdem ich sowohl den Akku des iPhones als auch meine Energiereserven wieder aufgeladen hatte, ging es zurück auf die Interstate. Hier wartete nicht nur die Überquerung meiner letzten Staatsgrenze auf mich, sondern in der Ferne auch der steilste und längste Anstieg der heutigen Etappe. Als ich gerade neben riesigen Feldern mit Solarzellen, die mittels eines Spiegels „gefüttert“ werden, vorbeifuhr, ging es los. Auf dem Garmin stieg die Prozentzahl, die mir den Anstieg verriet, stetig an. Daneben schien der Wind immer unerträglicher zu werden. Auch die Hitze erreichte mittlerweile wieder ihren Höhepunkt. Und da war es wieder: Das Trio der Quälerei. 40 °C, 5% Anstieg und ein stark böiger Gegenwind direkt von vorne. Nach wenigen Kilometern legte ich unter einer Brücke bereits eine erste Schattenpause ein.

Nach jedem Abstieg folgt ein neuer Anstieg

Beim Blick zurück konnte ich zwar sehen, dass ich bereits einen ordentlichen Teil geschafft hatte – doch der Großteil lag noch vor mir. Also wieder rauf aufs Rad. Doch nach wenigen Metern ging es bereits um einiges leichter voran: Ich machte eine Kurve nach Westen, weshalb aus dem Gegenwind dank der Berge ein kaum spürbarer Seitenwind und teilweise sogar ein leichter Rückenwind wurde. Nachteil: Jetzt spürte man noch mehr, wie heiß es war. Ich war übrigens nicht der einzige, der im Schleichtempo unterwegs war: Die Trucks, die mich überholten, quälten sich ebenfalls den Berg hoch. Nach fast 16 Kilometern Anstieg war es dann endlich geschafft und ich konnte wieder etwas entspannen. Auf dem Weg nach unten erschien in der Ferne allerdings bereits der nächste Anstieg. Doch den bezwang ich sogar recht schnell. Das „Elevation 4000 Feet“-Schild sah ich bei den ganzen An- und Abstiegen heute übrigens vier Mal.

Die alte Radfahrer-Weisheit: Nach jedem Abstieg folgt wieder ein Aufstieg - hier bereits aus zehn Kilometern Entfernung sichtbar
Die alte Radfahrer-Weisheit: Nach jedem Abstieg folgt wieder ein Aufstieg – hier bereits aus zehn Kilometern Entfernung sichtbar

Das Etappenziel in Sichtweite

Der letzte Gipfel des Tages war ganz besonders schön: Denn von nun an ging es bis zu meinem Etappenziel Baker nur noch bergab. Darauf wiesen mich auch noch einmal die Hinweisschilder an der Straße hin – die wohl schönsten Schilder für Radfahrer. Mit nur leichtem Mittreten ging es also die letzten 30 Kilometer bis zum Etappenziel nach Baker. Das konnte ich sehr bald auch bereits vor mir sehen – auch, wenn es immer noch fast 18 Kilometer entfernt lag. Der Ausblick in die Ferne war unglaublich: Neben der kleinen Stadt sah man sonst vor allem weiterhin Steppe und viele kleine Berge, die wie Inseln aus der Ebene ragten. Da würde es morgen hingehen. Jetzt war ich erst einmal froh, fast am Ziel zu sein. Zu meinem Übel nahmen sowohl Temperatur als auch Gegenwind noch einmal zu, je weiter ich abstieg. Doch damit konnte ich jetzt auf den letzten Kilometern auch noch leben.

Weiter Ausblick über Hügel, die wie Inseln aus der Steppe herausragen. Auch mein Etappenziel Baker ist bereits sichtbar, obwohl es noch 18 Kilometer entfernt liegt
Weiter Ausblick über Hügel, die wie Inseln aus der Steppe herausragen. Auch mein Etappenziel Baker ist bereits sichtbar, obwohl es noch 18 Kilometer entfernt liegt

Zurück in den Abenteuermodus

Mein ursprünglicher Plan war es, in Baker ein Motel zu nehmen – so faul bin ich bereits geworden. Doch nach diesem Tag voller An- und Abstiege war ich wieder so im Abenteuer-Modus, dass ich die Idee gar nicht mehr so gut fand. Außerdem ließen die Google-Bewertungen vermuten, dass das einzige Motel in der gesamten Umgebung recht teuer sei. Ich guckte noch einmal bei Google Maps, ob es eine Kirche im Ort gab, fand aber ziemlich schnell die Feuerwehrstation. Kaum im Ort angekommen, hielt ich hier auch direkt an und klingelte. Die mir aufmachenden Feuerwehrleute wiesen auf den Park hinter dem Gebäude hin, auf dem wohl schon öfter Radfahrer übernachtet hätten – die Einladung nahm ich gerne an. Und so werde ich heute mal endlich wieder in die alten und mehr abenteuerlichen Muster zurückfallen und auf dem Stadtpark campen. Ein bisschen Luxus muss aber weiterhin sein: Es gibt sogar öffentliche Toiletten und ein Waschbecken.

Mein Schlafplatz für die Nacht: Mal wieder ein kleiner Stadtpark
Mein Schlafplatz für die Nacht: Mal wieder ein kleiner Stadtpark

Mal wieder Burger

Über die Entscheidung, nicht im Motel zu übernachten, bin ich sehr glücklich. So glücklich, dass ich mir zum Abendbrot direkt ein Abendessen bei einer für mich wieder mal neuen Fast-Food-Kette gönnte: „Fatburger“. Die Burger hier sind etwas teurer als der normale Fast-Food-Durchschnitt, doch schmeckten entsprechend auch etwas besser. Auch die Unterkunft für morgen ist bereits sicher: Über Warmshowers habe ich einen Host kurz hinter Victorville gefunden. Das bedeutet aber auch, dass ich morgen 175 Kilometer fahren muss – immer leicht bergauf. Doch die Aussicht auf ein Bett und wieder etwas kühlere Temperaturen sollten genügend Motivation sein. Leider ist auch für morgen wieder ordentlich Wind gemeldet – ich will also versuchen, möglichst früh zu starten.

Die Etappe auf Strava

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