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Alpen Flowbiker

Zwei Flowbiker am Stelvio

Unsere Unterkunft liegt direkt am Stelvio, was liegt daher näher als zum berühmten Stilfser Joch aufzusteigen? Aber erst würdigten wir Max‘ Geburtstag mit einem Aufstieg nach Sulden!

Nachdem wir am gestrigen Tag den Aufstieg zum Stilfser Joch aufgrund Schneefalls verschoben haben, standen die Vorzeichen heute sehr gut! Am Frühstückstisch betrachteten wir die Webcam vom Stilfser Joch, die keinerlei Schnee und trockene Straßen zeigte – und das alles bei 2°C.

Geburtstagskaffee in Sulden

Der Aufstieg nach Sulden stand ebenfalls auf unserer ToDo-Liste, wir hatten ihn aber nicht explizit in einen unserer Tourenentwürfe eingeplant. In Sulden ist Max oft in den Skiurlaub gefahren, daher war es spannend den Ort schneefrei im Sommer zu besuchen. Da wir bereits zum Reschensee gefahren sind und sich dies in der ursprünglichen Planung an das Stilfser Joch anschließen sollte, war nun heute noch etwas Platz und Energie frei, um nach Sulden zu fahren.

Von Stilfs nach Gomagoi: Eine Abfahrt zum Warm werden

Mit einer schönen Abfahrt von Stilfs nach Gomagoi beginnt unsere Ausfahrt. Auch die ersten Kehren bergab in Richtung Sulden machen Lust auf mehr, wir sind euphorisch auf unseren Rädern unterwegs. Der eigentliche Anstieg gestaltet sich nicht sonderlich schwer: der Asphalt ist für Alpenverhältnisse sehr glatt und gut fahrbar. Einzig der Verkehr stört ein wenig, aber das denken Auto- und Motorradfahrer sicherlich auch über uns. Nur wenige Stellen weisen Steigungen über 10% auf, sodass Max ordentlich Watt in die Pedale tritt und ich mich frage „Steckt er das alles so viel besser weg als ich oder ist er nachher wieder grau?“ ;-)

Sulden: Im Winter liegt mehr Schnee

In Sulden angekommen fahren wir bis zur Talstation und Max schießt eine Menge Fotos (insbesondere von der Seilbahn). Zur Feier seines Geburtstages lassen wir uns im Café Nives nieder und machen eine Kaffeepause und geben uns dem Leben eines Flaneurs hin. Tatsächlich ist dies der erste Rast, den wir gemeinsam unternehmen, zuvor haben wir uns dies meist aus „sportlichen Aspekten“ (man nennt es auch Geiz) verkniffen.

Zur Feier des 24. Geburtstages darf eine Kaffeepause nicht fehlen

In der Abfahrt nach Gomagoi bereiteten wir uns mental schon auf den folgenden schweren Anstieg aufs Stilfser Joch vor. Ein wenig deprimierend war es schon, dass wir unsere hart erkämpften 600 Höhenmeter in der Abfahrt wieder vernichteten.

48 Kehren zum höchsten Rummelplatz

Zum Einstieg verläuft die Straße sanft ansteigend und nahezu frei von Kehren. Doch dann taucht plötzlich ein Schild auf und kündigt die 48 Kehren bis nach oben an – ein magischer Moment. Zunächst sind die Kehren sehr sparsam gesät und der Ortler zur Linken begleitet uns majestätisch. Bevor es in den Kiefernwald mit vielen Kehren und fordernden Steigungen geht, lädt uns ein Brunnen am Straßenrand zum Auffüllen unserer Trinkflaschen ein.

1 Brunnen. Service der Natur

Ab hier werden es immer mehr Radfahrer, die wir meist überholen und hinter uns lassen. Am Pass ist eine bunte Mischung an Fahrern unterwegs: Rennradler, Mountainbiker, E-Biker, Radreisende mit viel Gepäck oder Fahrer mit Fahrzeugbegeleitung, die in jeder Kurve fotografiert werden. Durch den Wald, die Fotopausen und die vielen Kehren vergehen Zeit und Weg wie im Flug. Der Wald lockert immer weiter auf und gibt die Sicht auf die zurückgelegten Kehren frei. Die Seitenbefestigung besteht hier reizvoller Weise aus Natursteinmauern und Felsquadern. Guckt man hinunter hat man das Gefühl, man könnte mit nur einem kleinen Fahrfehler sein ganzes Leben auslöschen – und das des Rennrades.

Schöne Seitenbegrenzung mit den Namen großer Radsportlegenden

Meter für Meter klettern wir hoch und versinken immer weiter im Flow, erst die 6km-Marke auf dem Asphalt holt uns wieder aus der Trance. Nun ist das Kehrennirvana bis zur Passhöhe komplett sichtbar, was faszinierend und einschüchternd zugleich wirkt. So greifbar nah und doch noch mindestens 500 Höhenmeter entfernt.

Nur noch wenige Meter…Höhenmeter

Wir treffen auf einige Radfahrer, die in etwa unser Tempo fahren. Dank unserer Fotopausen sehen wir uns netterweise mehrfach beim Überholen und beim Auffüllen der Trinkflaschen an einem Brunnen. (Warum einige Radfahrer doch lieber Wasser aus dem Bach schöpfen, erschließt sich mir daher nicht. Vielleicht mögen sie einfach Durchfall?!)

Die Kilometermarken auf der Straße und die Kehrenschilder motivieren stark, dennoch schrauben wir uns nur zäh wie Kaugummi nach oben. Je weiter wir nach oben kommen, desto kürzer werden die Abschnitte zwischen den Kehren. Wenige Kehren vor der Zielgeraden machten wir die letzte Fotopause und freundeten uns auf die schnelle mit zwei Italienern an, denen wir anschließend bis zur Passhöhe folgten. Sie legten uns mehrfach nahe, doch eine Tour von Bormio aus über den Mortirolo und den Gaviapass zu fahren. Auch ein weiterer Radfahrer auf der Passhöhe unterstrich diesen Tipp. Gut, dass wir die Tour schon geplant haben. Sie wird bestimmt die Hölle, deswegen tut ein Ruhetag vorher sicherlich gut.

Zwei glückliche Flowbiker oben auf dem Stelvio

Oben auf der Passhöhe herrscht geschäftiges Treiben. Viele Touristen, Motorradfahrer und Radfahrer sind unterwegs, ebenfalls laden die Geschäfte und Buden zum Konsum ein. Wir entschieden uns allerdings für eine schnelle Weiterfahrt, nachdem wir unserer Fotos angefertigt hatten.

Abfahrt über den Umbrailpass nach Santa Maria

Da wir wieder zurück zum Hotel nach Stilfs müssen, entschieden wir uns unweigerlich für die Abfahrt über den Umbrailpass, der uns direkt durch die Schweiz führt. Wir verlassen also erstmals die Europäische Union. Das Handy wird daher in den Flugmodus versetzt, um die Roamingkosten zu vermeiden, die im EU-Ausland bereits abgeschafft sind.

Der Umbrailpass ist eine schöne Strecke zum Abfahren

Zu unserer Überraschung ist der Umbrailpass frisch asphaltiert, gnadenlos schnell, die Kehren nicht all zu eng und daher sehr schnell durchfahrbar. Dies war nicht immer so: bis 2014, so steht es im Internet, soll hier teilweise Schotterpiste gewesen sein. Landschaftlich bietet der Umbrailpass lange Zeit nichts schönes zu bieten, ehe rechts und links Bäume auftauchen. Einige Kehren werden nun ziemlich eng. Leider sind gerade diese wegen der schlängelnden Straßenführung nicht gut zu sehen, daher muss nun die Karte auf dem Garmin als Radar herhalten, bis wir uns einer größeren Gruppe Radfahrer anschließen und mit ihnen ins Tal rollen.

Unser Lieblingsplatz

Mit verlassen der Schweiz und der immer noch sehr schnellen Abfahrt bis Glurns schienen alle unsere Kräfte wieder vollständig geladen zu sein. Wir bekräftigten uns daher gegenseitig, dass wir noch zu unserem neuen Lieblingsplatz fahren wollten: Den Lichtenberger Höfen. Dorthin führte am Vortag unser erster Aufstieg hier in der Region und der Ausblick begeisterete uns nachhaltig: #SCHÖN.

So soll es sein, so kann es bleiben

Leider blendeten wir die schwere Auffahrt wohl aus und wurden von knackigen zweistelligen Steigungen „überrascht“, dennoch krochen wir weiter hoch und genossen stillschweigend die Aussicht und fertigen Fotos an. Wir waren wohl doch schon sehr erschöpft. Ein Energieriegel bzw. ein Gel für den baldigen Anstieg nach Stilfs war daher dringend nötig.

In der Abfahrt übten Max und ich fleißig Bunny Hops über die quer zur Fahrbahn verlaufenden Regenrinnen, was unsere Abfahrt deutlich schneller machte als am Vortag. Ein echter Adrenalinkick, besonders bei plötzlichem Gegenverkehr.

Auf der Suche nach Wasser

In Prad angekommen hielten wir die Augen nach einem Brunnen offen. Max‘ Trinkflaschen waren schon völlig leer. Leider ist das gar nicht so einfach, denn die meisten Brunnen sind nur Springbrunnen und enthalten kein Frischwasser. Auf der Terrasse eines Cafés sind wir dann aber fündig geworden. Es konnte also die letzten 400 Höhenmeter rauf nach Stilfs gehen. Hier mussten wir kurz pausieren, da sich erste Erschöpfungserscheinungen an Max‘ Sitzfleisch bemerkbar machten – umso besser, so konnte ich mir noch mal Wasser aus seiner Trinkflasche schnorren. … Ich war in Prad zu faul zum Auffüllen …

Kleine Stärkung im Stilfser Hof

Letztlich sind wir gut und sehr erschöpft am Hotel angekommen. Wir stellten unsere Räder ab, die heute keinerlei nervige Geräusche produziert haben, und gönnten uns ein leckeres Abendessen.

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