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USA 2016

Langsam kommt man auch ans Ziel

Am Abend war es wieder angenehm warm, der Erkundungstour durch Westport stand nichts mehr im Weg
Am Abend war es wieder angenehm warm, der Erkundungstour durch Westport stand nichts mehr im Weg

Dank der guten Vorarbeit gestern war es heute nicht mehr weit bis Kansas City. Doch die kurze Etappe wurde dank drückend schwülem Wetter eine echte Herausforderung.

Eine heilige Nacht

Die Nacht im Zelt war ausgesprochen bequem und ich schlief sogar fast bis morgens durch. Einmal wurde ich noch gerade beim Eindösen vom Pastor geweckt, der extra noch einmal gekommen ist, um nach mir zu sehen. Und heute morgen weckte mich dann ein lautes, langes Donnern. Das muss das angekündigte Gewitter sein, dachte ich mir – und blieb deshalb noch etwas liegen. Der Plan: Gleich aufstehen und noch vor dem Regen zum Walmart, um dann dort den kurzen Schauer beim Shoppen abzuwarten. Doch ich döste noch länger als gedacht und um Punkt sieben Uhr fing es an, zu regnen. Es war aber eigentlich ganz gemütlich, im warmen Schlafsack dem Regen und dem Gewitter zu lauschen und selbst trocken zu bleiben. Der Walmart-Plan war also gestrichen, stattdessen verriet mir ein Blick aufs Regenradar, dass mir zwischen neun und zwölf Uhr ein Zeitfenster bleibt, um nach Kansas City zu kommen.

Nach knapp zwei Stunden hörte es endlich auf zu regnen - zurück blieben eine Menge Pfützen und nasse Straßen
Nach knapp zwei Stunden hörte es endlich auf zu regnen – zurück blieben eine Menge Pfützen und nasse Straßen

Holy, holy, holy is the Lord

Die Strecke wollte ich dann auch möglichst schnell in den Angriff nehmen. Doch erst einmal hieß es, den Regen abzuwarten. Pastor Willams kam noch einmal, um mir die Kirche wieder aufzuschließen – damit ich mich ins Warme setzen kann oder auf die Kirchenbank legen kann. So machte ich mich erst einmal in Ruhe frisch und packte alles zusammen. Doch es hörte einfach nicht auf, zu regnen. Einige Seiten im Gesangsbuch der Methodisten später gegen neun Uhr war es dann endlich so weit: Hinter den dunklen Wolken tat sich eine Lücke auf – siehe Bild oben. Also nichts wie los aufs Rad und Vollgas.

Gute Shoulder, schlechte Shoulder - hier so ein Mittelding in Richtung schlecht
Gute Shoulder, schlechte Shoulder – hier so ein Mittelding

40 Kilometer nasser Highway

Die ersten Meter war das mit dem Vollgas sogar kein Problem. Es rollte sich gut, auch wenn ich interessant ausgesehen haben muss. Aufgrund der wärme in kurzem Trikot und kurzer Hose, aber mit „dick“ eingepackten Füßen, damit die Schuhe trocken blieben. Jetzt hieß es erst einmal, über 40 Kilometer der Route 10 zu folgen, die später in die Route 210 überging. Das hieß auch: Über 40 Kilometer an einer gut von Trucks befahrenen, nassen Straße – auf einem Seitenstreifen, der manchmal sehr zu Wünschen übrig ließ. So rollte es sich mal schneller, mal langsamer. Das Tempo hängt doch ganz schön vom Belag ab. Zusätzlich wurde es mit der Zeit immer schwüler, und auch meine Beine erinnerten mich an jedem Anstieg daran, dass sie gestern schon gut beansprucht wurden.

Mal wieder Slowbiker

Und so wurde ich auch mit jedem Kilometer etwas langsamer. Als ich dann für ein kurzes Stück auf die noch dichter befahrene Route 291 abbog, um den Missouri River zu überqueren, signalisierte mein Körper mir dann: Akku leer. Im Schneckentempo kletterte ich über die Brücke und war froh, nach zwei Kilometern wieder auf eine wenig befahrene Seitenstraße abbiegen zu können. Ich war ein bisschen enttäuscht von mir selbst, dass mein Körper bereits nach 40 Kilometern schlapp macht. Wahrscheinlich hat der über das Abendessen und das Frühstück aus Äpfeln, Müsliriegeln und Bananen nur gelacht. Bei dem gestrigen Kalorienverbrauch kein Wunder, dass das nicht zum Auffüllen reicht. Aus dem Flowbiker wurde jetzt also wieder ein Slowbiker und ich kämpfte mich die jetzt wieder sehr hügeligen Straßen hinauf nach Independence.

Man, was war das für eine Qual. Endlich erscheint die Skyline von Kansas City
Man, was war das für eine Qual. Endlich erscheint die Skyline von Kansas City

Endlich in Kansas City, endlich am Aldi

Und wie der Name des Artikels schon sagt: Langsam kommt man auch ans Ziel. Einige Quälereien und einige Liter Schweiß später konnte ich endlich den lang ersehnten Aldi-Markt in Kansas City erreichen. Und noch besser: Direkt gegenüber war ein „Hardee’s“. Rad abgestellt und nichts wie rein in das Klimaanlagen-Paradies und raus aus der schwülen Luft. Endlich konnte ich die Akkus auch mal wieder auffüllen. Heute habe ich übrigens das erste Mal Curly Fries probiert, sehr lecker und nur zu empfehlen! Jetzt musste ich auch nicht hungrig bei Aldi einkaufen, was wahrscheinlich noch in einem Shopping-Rausch eskaliert wäre. Dennoch wurde der Einkaufswagen für Radtouristen-Verhältnisse recht voll und ich musste mir ein gutes Pack-Konzept überlegen. Am Ende passte alles in die Taschen.

Mal wieder in die Werkstatt

Jetzt rollte ich also noch die letzten Kilometer zu meiner Unterkunft. Irgendwie machte sich wieder ein merkwürdiges Geräusch von der Kette oder noch eher von der Ritzelkassette bemerkbar. So richtig definieren konnte ich es nicht. Und da ich doch erst eine Stunde später als angekündigt in mein Airbnb-Zimmer konnte, suchte ich schnell noch einen Fahrrad-Laden auf. Wie sich herausstellte, waren die Inhaber zwei vor einigen Jahrzehnten aus den Niederlanden ausgewanderte Freunde, die den American Dream leben wollten. Der Mechaniker drehte sogar noch eine Testrunde mit dem Rad und brachte die Schaltung und den Schaltzug wieder etwas auf Vordermann. Doch so ganz war das Geräusch noch nicht verschwunden und ganz zufrieden bin ich nicht. Aber immerhin habe ich noch ein kostenloses T-Shirt bekommen (zum Glück gab es Orange nur noch in L).

Zu Ehren meiner Ankunft wurden sogar die Buslinien nach mir benannt
Zu Ehren meiner Ankunft wurden sogar die Buslinien nach mir benannt

Endlich mal wieder duschen

Falls also etwas mit dem Ritzel passiert, erwartet mich irgendwo mitten in Kansas oder Colorado also erneut ein Abenteuer. Aber mal abwarten und aufs Beste hoffen. Endlich im Airbnb-Zimmer angekommen, standen erst einmal die nach den letzten zwei heißen Tagen mehr als nötige Dusche und die Wäsche an. Anschließend trödelte ich noch etwas Zeit herum, versuchte mich an das neue Instagram-Logo zu gewöhnen („Wo kommt die App plötzlich her?“) und suchte mir auf Google Maps ein gutes Restaurant zum Abendessen. In diesem kleinen Road-House in Illinois wurde mir ja empfohlen, das für Kansas City typische BBQ zu probieren. Passenderweise war direkt um die Ecke ein preisgekröntes BBQ-Restaurant mit vertretbaren Preisen. Ein Hoch auf die Google-Bewertungen!

Verzweifelte Suche nach einem gebührenfreien ATM

Doch vorher wollte ich noch etwas Geld holen. Doch sogar meine eigentlich etablierte „Hausbank“ hier, die „Bank of America“, wollte plötzlich drei Dollar Gebühr für simples Geldabheben haben. Das war je nach Betrag immer noch teurer als der beim Bezahlen mit Visa-Karte berechnete Auslandseinsatz. Also weiter nach anderen ATMs gesucht und dabei noch eine schöne Runde durch den ganzen Stadtteil gedreht – nette und anscheinend sehr angesagte Gegend! Leider wollten auch all die anderen Automaten Gebühren haben. Egal, ich wollte jetzt endlich mein BBQ. Letztendlich wurde es ein schickes Sandwich, das zurecht preisgekrönt war.

Mal wieder was lokales: Ein preisgekröntes BBQ-Sandwich
Mal wieder was lokales: Ein preisgekröntes BBQ-Sandwich

Meine bisher gefahrene Route

Jetzt, wo ich mich so langsam an die Hälfte meiner Reise herantaste, ist es Zeit, sich mal einen Überblick zu verschaffen. Das habe ich mal mit Hilfe einer Übersichtskarte versucht, das Resultat findet ihr hier: Die Route (alternativ auch immer oben über das Menü unter „Per Rennrad durch die USA“ erreichbar). Am besten einfach mal etwas näher auf die Punkte heranzoomen, dann kann man per Mouseover auch die Städte sehen, die ich angefahren habe. Hier versuche ich weiterhin meinen aktuellen Standort nachzuhalten. Das Ergebnis lässt sich doch schon sehen, meine Richtung sollte spätestens jetzt auch erkennbar sein. ;)

Die Etappe auf Strava

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