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USA 2016

Es läuft!

Um es in Radprofi-Jargon zu sagen: Heute hat alles gepasst – die Beine, das Wetter und das Material.

Kostenloses Frühstücksbuffet

Der Tag startete bei mir dank des im Preis inbegriffenen Frühstücksbuffets mit einem gut gefüllten Magen. Nachdem ich alles gepackt hatte, ging ich fix in die Motel-Lobby, um ganz lippisch ordentlich zuzugreifen. Neben ein paar ungesunden Sachen wie Donuts gab es tatsächlich auch frisches Obst und Saft, außerdem aß ich jeweils zwei Schüsseln Oatmeal und Fruit-Loops. Ich hatte zwar ein leichtes schlechtes Gewissen, weil ich so viel nahm, aber erstens musste ich den Preis für die Nacht irgendwie wieder rausholen und zweitens brauchte ich für heute viel Kraft – ich wollte so weit kommen, wie nur möglich. Deshalb ging es nach dem Frühstück auch direkt los.

Auf der parallel zum Highway verlaufenden Nebenstraße ließ es sich entspannt fahren. Leider war das nur ein kurzes Vergnügen
Auf der parallel zum Highway verlaufenden Nebenstraße ließ es sich entspannt fahren. Leider war das nur ein kurzes Vergnügen

Lieber Highway als Schotter

Die erste Überraschung: Die gute Routenplanung hat mich auf eine direkt parallel zur Route 36 verlaufenden Nebenstraße geleitet. So ließ es sich definitiv entspannter rollen als auf dem vierspurigen Highway, auf dem sich die Brummis nur so überholten. Doch das Vergnügen war nur von kurzer Dauer: Irgendwann sollte die Strecke auf Schotter weitergehen. Da machte ich lieber kehrt und bog auf den Highway ab. Letztendlich rollte es sich hier auch besser als auf einer Nebenstraße: Es gibt weniger Hügel und der Streckenverlauf ist möglichst kurz gehalten. Außerdem gaben überholende Trucks immer gute Rückenwind-Anschübe. Zuerst hatte ich zwar noch Bedenken, dass mich gleich noch ein Cop anhalten würde, aber da bereits wenige Minuten später auch die letzte Nebenstraße verschwand, blieb mir ja auch gar keine andere Alternative, als auf dem Highway zu bleiben.

Auf dem Highway ließ es sich letztendlich doch am besten fahren
Auf dem Highway ließ es sich letztendlich doch am besten fahren

Das Pfefferspray parat

Trotzdem war ich kurz vor Marceline froh, endlich wieder auf eine normale Straße abbiegen zu können. Im Ort selber legte ich eine kurze Pause im „Stadt“-park ein, in dem sogar eine alte Dampflok als Denkmal stand. Doch lange warten wollte ich nicht, und so schwang ich mich nach meiner Banane schnell wieder aufs Rad. Es folgte ein gutes Stück auf der Route JJ (kleinere Landstraßen haben hier oft Buchstaben als Namen), an der allerdings wieder viele Farmen lagen. Das Pfefferspray blieb also die ganze Zeit bis zum Abzweig auf Route E in der Hand, um es möglichst schnell einsetzen zu können. Besonders angsteinflößend waren immer die Farmen, die direkt an einem Anstieg lagen. Hier hätte ich wohl kaum genug Tempo zur Flucht aufnehmen können. Ich hatte aber Glück und die paar Hunde, die ich sah, blieben auf dem Grundstück. Krönung der Route JJ: Mitten im Nichts an einem Bahnübergang gingen direkt vor mir plötzlich die Schranken runter und ich musste erst einmal den langen Güterzug vorbeifahren lassen. Immerhin hatte der hier nur drei Loks. Rekord des Tages waren später sechs Loks.

Die perfekte Route

Ich war froh, endlich die Farm-Route wieder verlassen und mein Pfefferspray wieder einpacken zu können. Es folgte der wohl schönste Teil des Tages: Die Route 11. Die war schön asphaltiert, ruhig und mit ein paar Kurven und vielen Hügeln definitiv nicht langweilig. Auch der Wind war erträglich, obwohl ein Südwind angesagt war und ich hier jetzt direkt gen Süden fuhr. Kurios: Auf den Schildern wurden irgendwann nicht mehr die Entfernungen zu möglichen nächsten Ortschaften, sondern zu den nächstgrößeren Straßen angezeigt.

Eine der bisher schönsten Straßen in Missouri: Die Route 11
Eine der bisher schönsten Straßen in Missouri: Die Route 11

Zurück auf Route 24

Am Ende der Strecke erwartete mich wieder die Route 24, auf der ich auch schon nach Quincy gefahren bin. Leider war die Straße hier sehr dicht befahren, vor allem von schweren Trucks. Einen Seitenstreifen gab es ebenfalls nicht. So kam es heute zwei Mal zu sehr dichten Überholmanövern, nur weil die Trucks vor Kurven oder Anstiegen nicht mal ein paar Sekunden warten konnten und zum Überholen ansetzten, obwohl dann sofort Gegenverkehr kam. Und auch ansonsten war das der eher schlechtere Part des Tages: Ich hatte mittlerweile die 100 Kilometer auf dem Tacho und die Batterien wurden so langsam leer, doch es kam und kam keine Gelegenheit, etwas zu essen. Dazu waren einige Abschnitte der Route 24 recht flach, was dem Gegenwind wieder mehr Spielraum gab. Das bedrückendste war aber die Sonne, die mittlerweile ganz schön stark auf der Haut brannte. Schatten gab es leider kaum.

Die Rettung in der Not: Die "Burger Bar" in Carollton
Die Rettung in der Not: Die „Burger Bar“ in Carrollton

Das rettende Burger-Restaurant

Zwischendurch gab es ein paar kleinere Ortschaften, doch bei weniger als 100 Einwohnern gab es da leider gar nichts. An manchen Ecken machte ich kurz Pause, wenn ein Baum neben der Straße etwas Schatten bot. Die Beine wurden immer schwerer, aber irgendwann tauchte Carrollton auf der Karte auf – das sah etwas größer aus. Schnell bei Google Maps gecheckt: Direkt an der Strecke müsste ein Burger-Restaurant liegen. Und so kämpfte ich mich mit diesem Ziel noch weiter und zählte jeden Kilometer. Und irgendwann war es geschafft: Ich hatte die „Burger Bar“ erreicht. Recht günstig gab es hier frische und selbstgemachte Burger. Ein Bacon-Cheeseburger und die größte Pepsi, die sie hatten, füllten meine Batterien wieder auf.

Plan für die Nacht

Ich nutzte die Pause auch, um zu gucken, wo ich heute Abend enden könnte. Es war gegen 16 Uhr, ich hatte 130 Kilometer auf dem Tacho, und der Tag war noch lang. Direkt um die Ecke gab es zwar ein Motel, das ein anderer Staaten-Durchquerer auf Google gut bewertet hatte, aber ich wollte das gute Wetter noch ausnutzen – für morgen früh sind wieder Gewitterschauer angesagt. Alles, was ich jetzt schaffen würde, müsste ich also morgen nicht im Regen fahren. Zwischen Carollton und der nächstgrößeren Stadt Richmond lagen noch zwei Dörfer, jeweils etwa zehn Kilometer voneinander entfernt. Und ich wollte endlich mal campen – immerhin waren heute die perfekten Bedingen dazu. Der Plan: In diesen Dörfern nach guten Schlafplätzen gucken. Und im Notfall würde es in Richmond zwei Motels geben.

Im Eiltempo nach Richmond

Als ich nach der langen Pause wieder raus kam, überraschte mich erst einmal die Hitze. Da meine Arme bereits etwas rot wurden, schmierte ich mich noch einmal mit Sonnencreme ein, bevor ich wieder losfuhr. To Do für Kansas: Bessere Sonnencreme suchen, denn diese scheint einen Film auf dem Körper zu bilden, unter dem ich auch bei 20°C sofort anfange, zu schwitzen. Egal, da musste ich jetzt auch bei fast 30°C durch. Die Sonne brannte zwar weiterhin auf den Armen, doch dafür waren die manchmal aufkommenden Schatten unter den kleinen Wolken eine wahre Wohltat. Gleichzeitig blieb die gesamte Strecke jetzt flach, so dass ich mit guten Tempo Richtung nächstes Dorf rollen konnte – der Fahrtwind kühlte ebenfalls schön.

In den Abend hinein auf Route 10
In den Abend hinein auf der flachen Route 10

Doch ins Motel?

Im ersten Ort gab es zwar zwei Tankstellen, doch es war noch recht früh und ich wollte weiter. Also fuhr ich im Eiltempo in den nächsten Ort – trotzdem fast eine Dreiviertelstunde Fahrt. Es war zwar mittlerweile 18 Uhr, doch hier sah es nicht so ansprechend aus. Ich guckte auch zwischendurch immer mal wieder nach guten Campingmöglichkeiten, doch so direkt neben der Straße war alles nicht ganz optimal. In einer kleinen Pause guckte ich mir noch einmal die Motels in Richmond an. Eins sah sehr gut aus und war sogar recht günstig. Ich wurde etwas schwach. Die gesamte Fahrt nach Richmond grübelte ich, ob ich ins Motel gehen sollte. Ich war mir mittlerweile eigentlich sogar ziemlich sicher, dass ich ins Motel fahren würde.

Spontane Umentscheidung

Doch kurz vor dem eigentlichen Ortseingang von Richmond kam ich dann an einer nett aussehenden Kirche vorbei. Ich dachte mir: Einen Versuch ist es wert, im schlimmsten Fall sagen sie nein. Also rein, kurz auf den Pastor gewartet, und der hat sich sehr gefreut, dass Gott mich zu ihm geführt hat. Ich war gleichzeitig froh, einen sicheren Schlafplatz zu haben, kein Geld fürs Motel ausgeben zu müssen und das gute Wetter ausnutzen zu können. Jetzt habe ich mein Zelt unter einem Vordach aufgebaut – aufgrund der Hitze auch nur das Innenzelt. Leider ist die Tür, die mir ein anderer Kirchen-Mitarbeiter auflassen wollte, doch abgeschlossen – doch zum Glück war ich mich vorher schon etwas frisch machen.

Auf nach Kansas

Nach Kansas City ist es morgen also nur noch ein Katzensprung – etwa 70 Kilometer liegen noch zwischen mir und der Stadt. Dann habe ich auch Missouri einmal komplett durchquert. Ein Airbnb-Zimmer ist für die nächsten zwei Nächte schon gebucht, denn ich brauche dringend mal wieder einen Ruhetag. Für den sieht der Wetterbericht auch sehr gut aus, für die darauffolgenden Tage leider noch nicht so. Mal abwarten – im schlimmsten Fall werden die ersten Tage in Kansas etwas nass. Viel zu sehen soll es ja eh nicht geben.

Die Etappe auf Strava

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