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USA 2016

Raus aufs Land

Das typische Bild des Tages: Links und rechts der Straße nur Farmen
Das typische Bild des Tages: Links und rechts der Straße nur Farmen

Heute hieß es dann endgültig, von den suburbanen Gegenden zwischen NYC und Philly Abschied zu nehmen und das ländliche Pennsylvania kennenzulernen. Das Schwierigste war jedoch zuerst einmal der Start: Ich habe schon lange nicht mehr in so einem bequemen Bett geschlafen wie in meinem Airbnb-Zimmer – abgesehen davon war die gesamte Unterkunft außergewöhnlich gut. Schweren Herzens raffte ich mich dann aber doch auf und startete um kurz nach neun in den Tag.

Berliner Kennzeichen?

So sehr sich Philadelphia von Norden aus kommend gestreckt hat, so schnell war man Richtung Westen plötzlich aus dem dichten Stadtgebiet raus. Bereits nach etwa 2,5 Kilometern erreichte ich den Schuylkill River, dem ich ab jetzt für einige Zeit folgen würde. Das Beste: Es gibt direkt einen Radweg, der die ganze Zeit entlang des Flusses führt. Kein Wunder, dass mir einige Dutzend Rennradfahrer(innen) entgegen kamen, die den gut ausgebauten Radweg ebenfalls nutzten. Kleines Highlight zu Beginn des Tages: An einer der ersten Brücken bog vor mir ein SUV mit Berliner Kennzeichen ab – hinten prangte dann aber doch das amerikanische.

Meine Strecke auf den ersten 40 Tageskilometern: Der gut ausgebaute Schuykill River Trail
Meine Strecke auf den ersten 40 Tageskilometern: Der gut ausgebaute Schuylkill River Trail

Immer entlang des Schuykill River Trails

In den nächsten Vororten von Philadelphia musste man kurzzeitig noch wieder auf die Straße wechseln, ehe der Radweg über Stege und Schotterpisten weiterführte. Den Schotter musste ich aber nicht lange ertragen, auf der Höhe von Shawmont wurde der Schuylkill River Trail dann nämlich zur Fahrrad-Autobahn: Es ging kilometerlang ungestört von Autos immer entlang des Flusses auf einer breiten, geteerten Straße. Anfangs verlief der Weg noch auf einer alten Eisenbahntrasse, zumindest ließen das die alten Oberleitungsmasten über dem Weg vermuten. Auch hier waren wieder einige andere Rennradfahrer unterwegs.

Dank der vielen Bäume am Wegesrand konnte mir der Windschatten nichts anhaben
Dank der vielen Bäume am Wegesrand konnte mir der Gegenwind nichts anhaben

Dem Gegenwind trotzen

Eigentlich wehte der Wind gar nicht mal so schwach gegen meine Fahrtrichtung – was mich an einigen Stellen leider auch immer wieder ausbremste – der Wald am Radweg spendete aber häufig genügend Windschatten. So rollte es sich wahnsinnig bequem und die ersten 40 Kilometer bis Phoenixville vergingen wie im Flug. Aufpassen musste ich nur an einer Stelle: Da wäre ich fast über eine Schlange gefahren. Puh, das war das erste Mal, dass ich eine so große Schlange in freier Wildbahn gesehen habe.

Bei Burger King traf ich auf Phil und Lynn, die mir viele Tipps, noch mehr Motivation und Tabletten gegen Krämpfe mit auf den Weg gaben
Bei Burger King traf ich auf Phil und Lynn, die mir viele Tipps, noch mehr Motivation und Tabletten gegen Krämpfe mit auf den Weg gaben

Phil und Lynn

Hinter Phoenixville legte ich dann meine erste Pause ein – ein Burger King stand so einladend an einer Kreuzung. Der 5 for 4$ Deal klang nochmal einladender. Als ich gerade die Mayonnaise über meine Pommes verteilte, kam ein Mann auf mich zu und fragte mich, wohin ich fahren würde. Wir kamen sehr schnell ins Gespräch, seine Frau Lynn kam auch noch dazu. Phil ist auch bereits einige Radtouren gefahren, unter anderem über die Rockies oder 500 Meilen am Mississippi River. Wir plauderten über meine Tour, die amerikanischen Waffengesetze und meine heute noch zurückzulegende Strecke. Mit einigen Tipps und Tabletten gegen Krämpfen ging es dann mit zusätzlicher Motivation weiter.

@Phil and Lynn: If you’re reading this right now, thanks again for all the nice chat with all the tips and especially for the TUMs. I really enjoyed meeting you two!

Die Route 23 hatte einige knackige Anstiege zu bieten - teilweise bereits bis zu 8%
Die Route 23 hatte einige knackige Anstiege zu bieten – teilweise bereits bis zu 8%

Route 23

Jetzt begann der zweite Abschnitt meiner Etappe. Der hieß: Fast 50 Kilometer ausschließlich der Route 23 folgen. Im Gegensatz zum ersten Teil veränderte sich jetzt schlagartig auch die Landschaft: Weg vom Fluss wurde es jetzt plötzlich richtig hügelig. Die Abstände zwischen den Häusern wurden immer kleiner und irgendwann wurden aus den Häusern Farmen. Auch gegen den Wind war ich jetzt kaum noch geschützt. Gut, dass ich auf den kleinen Gängen eine recht kleine Übersetzung habe, so ließen sich die bis zu 8% steilen Anstiege recht human bezwingen.

Typisches Bild auf der Route 23: Links und rechts Farmen, meist bewirtschaftet von den Amish
Typisches Bild auf der Route 23: Links und rechts Farmen, meist bewirtschaftet von den Amish

Im Land der Amish People

Wie bereits von Phil prognostiziert, wurde die Gegend nicht nur sehr ländlich – ich traf auch immer mehr auf Amish People. Die kannte ich bisher nur aus dem Englisch-Buch oder aus dem Film „Zum Teufel mit den Millionen“. Irgendwie ulkig, wenn man die Frauen mit ihren traditionellen Kleidern und die Männer mit ihren langen Bärten und Hüten über die Straßen und Äcker laufen sieht – man denkt, man ist im Film oder in einem Themenpark. Irgendwann begegnete ich dann auch den High-Speed-Kutschen. Wie Lynn im Gespräch erzählte, sind die meisten Amish nur mit Kutsche oder auf dem Fahrrad unterwegs. Auch dazu hatte Phil noch eine Anekdote: Auf einer seiner Touren begegnete er einem Amish Mädchen, das auf einem Single-Speed ziemlich schnell unterwegs war – er und seine Gruppe konnten sie kilometerlang nicht überholen. Das kuriose: Sie trug die ganze Zeit ihr traditionelles Kleid – keine sportliche Ausstattung. Ich bin zwar irgendwo auch einem Amish Mädchen auf einem Rad begegnet, zum Glück war ich aber trotz meiner Taschen schneller.

Wenn die Blase drückt

Nachdem ich die Route 23 verlassen hatte, ging es über einige noch viel ländlichere kleine Straßen nach Lancaster. Davor hatte ich noch ein kleines persönliches Dilemma: Ich musste immer nötiger meine Liter an Wasser und Cola loswerden, fand jedoch die ganze Zeit keine geeignete Stelle. Auf einem Reiseführer für Radfahrer habe ich gelesen, dass die Amerikaner es nicht so gerne sehen, wenn sich jemand in freier Natur erleichtert. Je nach Bundesstaat könnte man sogar bestraft werden. Ich hielt also immer Ausschau nach einer möglichst diskreten Stelle. Es gab jedoch nirgendswo mehr kleinere Wälder, und so ländlich die Gegend auch war – alle 100 bis 200 Meter stand wieder eine Farm, auf der die Amish ihre Acker pflegten oder die Kinder gerade von der Schule nach Hause hüpften. Erleichterung war dann tatsächlich erst beim nächsten Burger King in Lancaster angesagt.

Wieder auf der Suche nach einem Schlafplatz

Ich hatte mir heute Morgen bereits in den Kopf gesetzt, jetzt endlich das Zelt ausprobieren zu wollen. Doch es war hinter Lancaster gar nicht so einfach, einen Zeltplatz zu finden. Phil gab mir zwar den Tipp, dass man auf Game Lands zelten kann – die waren aber alle etwas weiter weg und eher ein Um- oder Rückweg für mich. Ich radelte also weiter nach Columbia, was eh mein Tagesziel war, und überlegte kurz, ob man hier am Fluss campen kann. Für meinen Geschmack war hier aber jedoch alles etwas zu zivilisiert fürs Campen. Also weiter. Kurz war ich wieder auf, ein Motel aufzusuchen – zum Glück sahen die alle schäbig aus. Letztendlich habe ich mein Zelt jetzt hinter einem Pizza-Laden in Halem aufgeschlagen, nachdem ich den Besitzer gefragt hatte, ob ich auf der Wiese hinter dem Haus zelten kann. Kein Problem – und das Abendessen war auch direkt vor der Tür. Und jetzt mopse ich mir gerade sogar noch das Gäste-W-Lan, um diesen Beitrag zu schreiben.

Mein Schlafplatz für die Nacht - auf der Wiese hinter einem Pizza-Laden
Mein Schlafplatz für die Nacht – auf der Wiese hinter einem Pizza-Laden

Weiter Richtung Appalachen

Morgen geht es weiter in Richtung Pittsburgh, dabei steht auch noch die erste Gebirgsüberquerung an – die Appalachen. Ich habe versucht, mir extra eine nicht ganz so steile Route herauszusuchen, mal sehen, wie steil es wirklich wird. Wenn alles klappt, dann ist Hagerstown in Maryland morgen mein Tagesziel.

Die Tour auf Strava

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