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Flowbiker Langstrecke

Canyon Night Ride 300

Vergangenes Wochenende stand das erste Highlight des Jahres an: Über 300 Kilometer ging es für Philipp und mich die Mosel entlang – bei Nacht.

2017 ist für uns Flowbiker ein ganz besonders aufregendes Jahr, haben wir uns doch für einige Events und Rennen angemeldet, die auch unser bisheriges Training stark bestimmt haben. Letztes Wochenende stand dann die erste große Veranstaltung an: Der Canyon Night Ride 300. Der Plan: Von Koblenz aus 150 Kilometer die Mosel hinauf- und anschließend wieder hinunterfahren. Höhenmeter gibt es also kaum, dafür eine andere Hürde: Die Fahrt startete gegen Mitternacht und ging durch die Nacht.

Anreise mit eigenem Fahrer

Das stellte uns schon vor erste organisatorische Schwierigkeiten: Sind wir nach so vielen Kilometer und einer schlaflosen Nacht am Sonntag überhaupt noch in der Lage, nach Hause zu fahren? Unsere erste Überlegung, noch eine Nacht in Koblenz zu bleiben, wurde aus Zeitgründen gegen Power-Napping getauscht. Am Ende ergab sich jedoch ein viel besserer Umstand: Mein Papa bot an, mitzukommen, in Koblenz zu übernachten und uns am Sonntag wieder zurückzufahren.

Mit verstauchtem Knie an den Start

Nachdem alles um die Hin- und Rückfahrt geklärt war, blieben eigentlich nur die großen Fragen um den Körper: Dass wir diese lange Distanz in einer Gruppe mit Begleitung schaffen würden, stand für uns gar nicht groß zur Frage – viel mehr aber, ob der Körper dieser langen Belastung tatsächlich standhält. Während ich mir um meinen Hintern Sorgen machte, gab es für Philipp ein viel größeres Problem: Er hatte sich zwei Wochen vor dem Event das Knie verstaucht. Zwar hatte er es gut geschont, die letzte Frage, ob es sich bemerkbar macht, blieb jedoch.

Heiße Pasta und fallende Temperaturen

Und so stellten wir uns am Samstagabend, bereits komplett umgezogen und mit unseren beiden Leihrädern von Canyon in den Händen, aufgeregt an den Start- und Zielbereich. Der Abend startete mit einer leckeren Pasta-Party mit allen Teilnehmern, hier konnte man bereits erste Kontakte knüpfen. Etwas erschreckend stellten wir mit der voranschreitenden Zeit fest, wie kühl es wurde. So richtig vorbereitet waren wir auf die Kälte nicht, Handschuhe hatten wir beide nicht beim Start dabei (Philipp immerhin in seiner Tasche, die aber im Auto lag), dafür Windjacke und Weste. Kälter wurde uns nur noch beim Anblick anderer Teilnehmer, die in kurz/kurz an den Start gingen.

Nach einem Rundgang durch den Canyon-Hauptsitz und dem Umziehen ging es ans leckere Pasta-Buffet

Gewusel nach dem Startschuss

Ab 23 Uhr fielen die ersten Startschüsse: Zuerst radelten Teilnehmer los, die ohne offizielle Begleitung einen Schnitt von mehr als 35 km/h anvisiert hatten, später dann noch einmal das Tempo mit den Begleitautos, dann noch einmal eine Gruppe mit 32 km/h und als vorletzte Gruppe dann unsere 29 km/h-Gruppe mit Begleitfahrzeugen. Das Tempo schien uns in Anbetracht unserer körperlichen Verfassung eigentlich ganz human und locker. Die ersten Kilometer waren direkt die aufregendsten: Das Tempo musste sich erst stabilisieren, es gab bereits die ersten Pannen, die Zweier-Reihe musste sich bilden und zu allem Überfluss verlor ich im Gewusel auch noch Philipp.

Wo ist Philipp?

Irgendwann pendelten sich das Tempo und auch die Gruppendynamik weitestgehend ein. Ich verbrachte die erste halbe Stunde damit, Philipp wieder ausfindig zu machen. Ich wusste, dass er irgendwo vor mir sein muss, hatte aber Angst, dass er bereits einer derjenigen war, die am Anfang direkt am Rand eine Panne hatten. Erleichterung kam auf, als ich ihn ein paar Reihen weiter vorne entdeckte. Währenddessen hatte ich bereits Bekanntschaften mit einem Canyon-Mitarbeiter und einem Berufsschul-Lehrer gemacht. Ersteren traf ich im Laufe der gesamten Fahrt noch häufiger wieder an meiner Seite an, wir verstanden uns ebenfalls ganz gut.

Der Harndrang des Menschen ist unantastbar

Während meiner Suche nach Philipp hatte ich ein Gefühlt ganz unterdrückt: Meinen mittlerweile ziemlich dringenden Harndrang. Kurzer Check aufs Garmin: Erst knapp 45 Kilometer gefahren, bis zur ersten Pausenstation sind es noch einmal 45 Kilometer – etwas weniger als zwei Stunden. Halte ich das durch? Nach kurzem Abwägen entschieden Philipp und ich uns, uns kurzerhand aus der Gruppe auszuklinken und unserem Bedürfnis nachzugehen. Nach der Befreiung ging es im Sprint wieder zurück zur Gruppe – das erste Mal, dass ich seit Start richtig warm wurde und definitiv eines meiner Highlights der Nacht. Die Blase füllte sich im späteren Verlauf des Night Rides noch häufiger – dabei tranken wir verhältnismäßig recht wenig.

Gut gelaunt nach 70 Kilometern am ersten Zwischenstopp

Erster Zwischenstopp

Die erste Pausenstation kam letztendlich schneller als gedacht. 70 Kilometer hatten wir jetzt bereits im Sattel und fühlten uns noch komplett frisch. Lediglich das Knie von Philipp schien sich in den ersten Zügen bemerkbar zu machen. Doch das überdeckten wir jetzt erst einmal mit den vielen leckeren Snacks und dem wärmenden Ventilator. Nur kurze Zeit später saßen wir wieder auf dem Rad – und das war wieder ganz schön kalt. Nur um die fünf Grad kühlten unsere Körper ziemlich herunter – im Windschatten der anderen strengte man sich gleichzeitig auch nicht groß an. Einer der Mitfahrer, die kurz/kurz unterwegs waren, trug mittlerweile eine vom Begleitwagen erhaltene Warnweste. Ob das wirklich half?

Umdrehen?

Auch die Kälte rückte mit fortschreitender Dauer immer mehr in den Hintergrund, meckerte Philipp’s Knie mittlerweile doch mehr als erwartet. Gerade an den Anstiegen klagte Philipp über die stechenden Schmerzen und überlegte, umzudrehen und zum Start zurückzufahren. An der 100 Kilometer-Grenze, an der bereits einige Fahrer wieder Richtung Start umdrehten, überlegten wir daher noch einmal unseren Plan. Alleine zurückradeln lassen wollte ich Philipp nicht. Andererseits war da noch die angepeilte Distanz von 300 Kilometer. Wir einigten uns auf einen Kompromiss: Mindestens bis zur 150 Kilometer-Station fahren wir noch weiter, dort kann man notfalls im Warmen auf eine Rückfahrgelegenheit warten. Außerdem kann man so noch die Vorzüge des Pelotons ausnutzen.

Heiße Suppe, Cookies und warmer Tee: Aufwärm-Versuch zur Halbzeit am Wendepunkt

High-Speed im Windschatten des Begleitautos

Die folgenden Kilometer verstrichen erneut recht schnell. Philipp und ich trennten uns teilweise wieder und lernten ein paar weitere Mitfahrer kennen, anschließend trafen wir uns kurz vor dem Wendepunkt zu einer Pinkelpause wieder und erlebten ein zweites Highlight der Nacht: Ein Canyon-Begleitauto wartete auf uns und gab uns Windschatten, bis wir zurück bei der Gruppe waren – total cool, in High-Speed dem schwarzen Caddy hinterherzurasen. Kurz darauf waren wir auch bereits an dem Sportplatz, an dem es die lang ersehnte heiße Suppe gab.

Gestärkt auf den Rückweg

Die Pause in Trittenheim nach 150 Kilometern war erneut kürzer als gehofft. Bereits mit hell werdendem Himmel machten wir uns gemeinsam in der Gruppe wieder auf den Rückweg – auch Philipp, der jetzt die 300 Kilometer vor Augen hatte und dafür den Schmerz im Knie in Kauf nahm. Immerhin sollten wir von nun an Rückenwind haben und es dürfte eher bergab als bergauf gehen. Trotz warmer Suppe war der Start nach der Pause wieder unangenehm kalt und es dauerte etwas, bis man wieder in seinen Rythmus kam. Dafür konnte man nun endlich sehen, wo man auf dem Hinweg so lang gefahren ist – und dass die Weinberge rechts und links höher und mehr als gedacht waren.

Tiefpunkt

Der Rückweg verflog in meinen Augen fast schneller als der Hinweg, war aber gleichzeitig der Part, an dem ich meinen Tiefpunkt hatte. Mittlerweile überschritten wir den Zeitpunkt des Sonnenaufgangs, doch es blieb nur grau – eine dicke Schicht Nebel legte sich über die Mosel in das Tal und ließ keinen Strahl durch. Ich wartete jedoch bereits ziemlich lange auf die endlich wärmenden Sonnenstrahlen und gleichzeitig zeigte sich jetzt der geballte Schlafverlust – an diesem Punkt hing mein Gemüt zumindest mental sehr tief.

Auf dem Hinweg war hier noch alles dunkel und schwarz

Endlich Sonne!

Mit den ersten Sonnenstrahlen wurde es dann endlich viel besser. Am dritten Pausenstopp (der gleichzeitig zu Beginn der erste war) wärmten wir uns vor dem Heizlüfter noch einmal richtig auf und stärkten uns, bevor es auf die letzten 70 Kilometer ging. Es folgte noch ein vierter Pausenstopp auf halbem Weg, an dem die Sonne bereits wieder ordentlich schien. Die Windjacke wanderte in die Rückentasche und unter den Arm- und Beinlingen wurde es auch endlich warm. Sämtliche Strapazen der Nacht schienen jetzt egal zu sein und ich fühlte mich, als könnte ich noch einmal 300 Kilometer fahren.

Im langen Radfahrer-Zug in den Endspurt

Die letzten Kilometer verflogen dann wie im Wind. Der Ausblick war schön, die Luft endlich wieder warm und es kamen etliche weitere Rennradfahrer entgegen. Ob die uns ansehen konnten, wie viele Kilometer wir bereits in den Beinen hatten? Leider nahm auch der Autoverkehr mit dem voranschreitenden Morgen wieder stark zu. Da war es von Vorteil, dass wir mit knapp 50 Fahrern in einem großen Peloton mit jeweils einem Auto vorne und hinten waren und wir uns recht sicher fühlten. Allerdings auch zum Leid für viele Autofahrer, die diesen langen Zug aus Radfahrern nicht einfach so überholen konnten – ein Belgier musste das auf die harte Tour erfahren, als ihm beim Überholen bereits das nächste Wohnmobil entgegen kam.

Geschafft

Nach dem Überfahren der Ziellinie fielen so einige Steine vom Herzen, wir hatten es tatsächlich geschafft: 300 Kilometer am Stück, durch die Nacht und auf geliehenen Rädern. Die Glücksgefühle überlagerten jegliche Müdigkeit und wir bedienten uns noch an den letzten Brötchen – alle anderen Gruppen waren ja schon lange im Ziel und leider fingen die Veranstalter bei unserer Ankunft bereits an, abzubauen. Den Massage-Service konnten wir daher leider nicht mehr in Anspruch nehmen. Ebenfalls nicht ganz optimal: Die Duschen waren in einem recht weit entfernten Vereinsheim. Dennoch war der Canyon Night Ride ein sehr positives Erlebnis. Abgesehen vom traurigen Abschied des Canyon Aeroads, das ich leider wieder abgeben musste. Für Philipp und mich ist aber klar: Das machen wir nächstes Mal wieder mit. Jetzt steht aber erst einmal das noch härtere Event Burning Roads an – dagegen war der Night Ride eigentlich nur ein „Warmfahren“…

Nach 300 Kilometern endlich zurück im Ziel

Tour auf Strava von Philipp und von Max

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