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Philipp

Hermannsweg

06:00 – der Wecker klingelt und reißt mich aus süßesten Träumen. Verdammt früh für jemanden wie mich, der in den letzten Wochen nach den Abiturprüfungen nichts anderes zu tun hatte, als lange zu schlafen. Es half nichts, ich „wollte“ aufstehen.

Am Abend zuvor hatte ich, im Rahmen des NRW-Festes, noch schnell einen neuen Bike-Rucksack aus der Packstation abgeholt, der mein Gepäck tragen sollte. Der Clou an diesem Exponat ist sein Trinksystem, von dem ich mir erhoffe, dass es mir zeitraubende Nachfüllaktionen erspart. Mögliche Tragebeschwerden, durch die ungewohnte Belastung, blendete ich stümperhaft aus. Ein hoch auf das Kind in mir! :-)

Durch das schlafende Detmold und seine verlassene NRW-Festtags-Meile bahnte ich mir einen Weg zum Bahnhof. Dort erwartete mich die Überraschung, dass der Zug um 07 Uhr ausfällt. Dieses unerwartete Zeitfenster bot mir Gelegenheit zum Frühstück, welches ich zu Hause auf ein Minimum reduziert hatte. Glücklicher Weise tat sich um 08 Uhr die Möglichkeit auf, einen Zug Richtung Rheine zu erwischen, aber auch hier nur mit Geduld, denn auch dieser Wagen hatte 10 Minuten Verspätung.

 

Im Zug sitzend stöpselte ich mein iPhone an meinen Zusatzakku, denn ich wollte nichts dem Zufall überlassen. Zumindest, was die Ladung meines Lieblingsgerätes anbelangt. Der Umstieg in Herford lief zu meiner Enttäuschung ohne Probleme ab – Zug fahren kann so langweilig sein.

90 Minuten nach Fahrtbeginn erreichte ich den Bahnhof Rheine und musste feststellen, dass es ziemlich warm geworden war, meine Armlänge konnte ich also in den Rucksack packen. Los gings also mit der Sonne (und dem Gepäck) im Rücken, durch die  Innenstadt, am Kanal entlang bis zum Einstieg in den Hermannsweg. Diese

r war zunächst sehr schmal und eigentlich eher ein Trampelpfad, als ein Wanderweg, aber ich ließ mir keine Verunsicherung anmerken. In mir stieg das Gefühl hoch, eigentlich nicht ins Gelände zu gehören. Doch schon wenig später stieß ich auf eine breite Schotterpiste, die mir schon eher das Gefühl gab, auf dem korrekten Weg zu sein. Minute um Minute verging, der Tacho zeigte Durchschnittstempo 28Km/h an, Freude kam auf, doch diese wurde durch den Gedanken an Verausgabung gehemmt. Was, wenn ich dieses Tempo nicht durchhalten kann, wirklich bremsen kann ich mich ja nicht, wenn ich einmal im „flow“ bin. Zudem habe ich bisher keine Erfahrung auf längeren Geländeetappen gesammelt – naja, was solls.

Die Strecke wurde zunehmend anspruchsvoller, zumindest für mich. Das Surren der Reifen vermittelte mir das Gefühl, dass mein Material mehr könnte, als ich zu Wagen bereit war. Es ging steil bergauf, Wurzeln und Schlaglöcher wollten gemeistert werden, und kurz darauf machte eine Abfahrt alle Höhenmeter wieder kaputt. Total begeistert war ich jedoch von dem Gedanken, mehr als 100km von Zuhause entfernt alleine mitten im Wald zu sein. Ein Gefühl von Freiheit, dass mir das Radfahren schon lange nicht mehr gegeben hat. Der Ausblick an manchen Stellen ist wirklich überragend. Mitten auf dem Kamm des Teutoburger Waldes am Abhang lässt es sich Meilenweit blicken.

Spätestens nach der Autobahnbrücke nahe Hörstel lässt sich der Hermannsweg super befahre, zumindest empfand ich es als leichtgängiger, da der Untergrund nun nicht mehr so „anspruchsvoll“ ist und eher als Waldautobahn ausgebaut ist. Vielleicht neben der Uhrzeit ein Grund, warum ich nun mehr und mehr Radfahrern begegnete, allerdings fuhr keiner in meine Richtung. Besonders anstrengend ist der Bereich um die Doerenter Klippen, da sich dort bei gutem Wetter viele Touristen und Wanderer aufhalten, die ein schnelles vorankommen unmöglich machen. Rücksichtnahme ist neben Tempo schließlich auch cool :)

Eine erste Pause genehmigte ich mir nahe der Gleisanlagen in Lengerich. Verfassung war gut, Wasservorrat immer noch reichlich gefüllt, kein Wunder bei 3 Litern Inhalt + dem Maltodextrin-Gesöff in den Trinklaschen. Kurz Sms’en getippert und wieder aufs Rad, nur so kommt man weiter.

Die Aussicht weiterhin Top, die Frisur nicht, die litt nämlich zunehmend unter Schweiß. Es wurde stetig wärmer und anstrengender, bis irgendwann die Trinkblase auf dem Rücken leer war. Blöd, so mitten im Wald, aber zum Glück lässt der Hermannsweg die Ortschaften ja nicht aus, sondern durchfährt sie. Nächster Stopp daher in Bad Iburg an einer Dönerbude direkt am Kurpark. Der Besitzer war äußerst nett und ich durfte mir kostenlos die Blase auffüllen. In dem Moment war mir Angst und Bange um mein Rad, dass unabgeschlossen neben dem Schuppen an der Straße stand, aber irgendwas musste ich machen, um künftig nicht zu verdursten. Ich verlor gefühlt 30ml Angstschweiß, doch mein Rad stand unverändert dort, wo ich es abgestellt hatte. Wiedermal schrieb ich ein paar SMS bevor ich mich wieder in den Sattel Schwung. Besonders Schmankerl zum Posen ist dort die Durchfahrt durch das Schloß Iburg. Hat man sich vorzustellen, wie das Nizza der Radfahrer: sehen und gesehen werden, doch die meisten sitzen hier und essen Eis – was für faule Leute.

Voller Elan und Tatendrang wuselte ich mich durch die Wege, übersprang Stöckchen und Steinchen und scheiterte letztlich an der Beschilderung. Zwar hatte ich mir einen Track des Weges auf mein Garmin geladen, doch ich kam nicht weiter. An einer Wanderhütte gingen Sternförmig verschiedne Wanderwege ab, doch kein Zeichen vom Hermannsweg weit und breit. Also probierte ich verschiedene Wege aus, doch ich kam nicht wieder auf den Track. Wertvolle Zeit, die ich hier verschwendete. Mein letzter Versuch schien da sehr erfolgversprechend, denn ich entdeckte wieder ein großes „H“, einziger Haken: es weißt direkt eine Böschung mit umgestürzten Bäumen runter. „No risk, no fun“ – willenlos beugte ich mich dem Diktat des Schildes und bremste mich den Hang runter. Laube, Bäume, Äste – „na, irgendwie wird’s schon weiter gehen“. „Scheiße! Zaun!“  . „Na danke, du Schild“ Also schob ich die unzähligen Meter zurück den Hang hinauf. Vor lauter Wut fuhr ich wahllos einen Weg entlang, bis ich auf einem Feldweg landete.

Ich legte mein Rad zärtlich ins Gras und setzte mich. Mit voller UMTS Geschwindigkeit checkte ich meine eMails, schrieb SMS und gab die Lage meiner Unternehmung per Telefon nach Hause durch. Nach weiteren Minuten der Recherche entschied ich mich, nicht mehr den Hermannsweg zu suchen und angesichts der fortschreitenden Zeit den Rückweg auf der Straße anzutreten. Aber wie macht man das mit 0 Ortskenntnis? Mein Garmin hat zwar eine Routingfähige Karte, doch vorherige Navigationsversuche waren nie zufriedenstellend. Also missbrauchte ich mein iPhone mit Navigon, dessen Kartenmaterial ich zum Glück geladen hatte, zur Navigation. Dazu stöpselte ich wieder meinen Zusatzakku an, stellte die Routenart auf „Fahrrad“ und steckte alles in den Rucksack. Per Kopfhörer konnte ich nun neben meiner Musik die Navigationsbefehle hören, was wirklich ziemlich Genial ist. Im Auto sind Ansagen 200m vor Abbiegung recht knapp, doch auf dem Fahrrad hat man genügend Zeit um alles um einen herum zu verarbeiten. Problemlos führte es mich über Hilter, Dissen, Werther und Bielefeld nach Hause.

Für mich steht fest, dass ich meine nächste weitere Rennradstrecke mit Navigon als Ergänzung abfahren werde, so komfortabel bin ich selten von A nach B gekommen. Eine „Routenfunktion“ zur Eingabe mehrerer Stationen hat die App bereits. Irgendwo auf dem Heimweg legte ich zur Frustbewältigung eine Pause ein und stopfte mich Mit Cola, Mars und Eis voll. Alles nur, um etwas gegessen zu haben. :D

Trotzdem erreichte ich Detmold kurz vor 19 Uhr. Ein Wiederholung dieser Tour schließe ich für mich jedoch aus. Sie hat mir zwar gezeigt, wie schön der Wald und das MTB’n sein kann, dennoch fühle ich mich auf der Straße wohler. Ich denke daher gerade über eine Rennradstrecke

snabrückerland nach.

 

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