Heute stand eine Etappe an, vor der ich mich seit Beginn der Reise etwas gefürchtet hatte. Doch alle Sorgen waren umsonst. Der einzige Gegner auf dem Weg nach Chicago war der Gegenwind.
Kein Regen und trotzdem nass
Während es die Nacht noch geregnet hatte, startete der Tag immerhin nur bewölkt. Trotzdem lag noch viel Feuchtigkeit in der Luft und mein Rad war bereits nach einigen Minuten auf der Straße trotzdem von kleinen Wassertropfen übersät. Zuerst ging es durch waldige Abschnitte aus der schönen Wohngegend Beverly Shores raus, wo ich die Nacht bei Harvey und seiner Frau verbracht habe und am Morgen noch gut mit Oatmeal versorgt wurde. Auch die beiden anderen Jungs packten bereits fleißig ihre Sachen und ich war noch einmal erstaunt, was sie alles in ihren unzähligen Taschen dabei hatten – sogar einen portablen DVD-Player.
Ein Tag voller Trails
Meine gesamte Strecke heute würde nahezu ausschließlich aus Trails bestehen, die mich sicher und vom dichten Stadtverkehr geschützt nach Chicago führen sollten. Und ziemlich schnell landete ich dann auch auf dem ersten Radweg des Tages – dem Dunes Kankakee Trail. Fast luxuriös muss man die Ausstattung der Rad-Autobahnen bezeichnen, denn es wurden anscheinend keine Kosten gescheut, die Routen möglichst kreuzungsfrei verlaufen zu lassen. So gab es auch wieder moderne Brücken über selbst kleinere Highways und ebenso viele Tunnel, die eine Straßenüberquerung unnötig machten. Auch Campingplätze fand man in dichten Abständen an der Strecke.
„Can I take a picture with you?“
Bei einer kurzen Bananen-Pause wurde ich von zwei anderen Rennradfahrern überholt, mit denen ich mich kurz austauschte. Später holte ich die beiden wieder ein und wir kamen noch einmal etwas tiefer ins Gespräch. Am Ende wurde ich sogar nach einem Foto gefragt – einmal kurz wie ein berühmter Radfahrer fühlen. Generell war auf den Trails trotz des kalten und grauen Wetters doch einiges los und mir kamen noch mehrere Radsportler entgegen.
Starke Seeluft
Südlich von Griffith legte ich meine letzte kurze Pause ein, denn ich wollte die südliche Region von Chicago möglichst ohne Zwischenstopps durchfahren. Ein anderer Radfahrer, dem ich hier kurz mit Werkzeug aushalf, warnte mich noch einmal. Es könne sein, dass mich Leute komisch anquatschen, ich solle dann einfach weiterfahren. Mit etwas mulmigen Gefühl ging es jetzt weiter, zusätzlich musste ich jetzt auch noch gegen den gar nicht mal so schwachen Nordwind ankämpfen.
Freundliche Grüße statt Überfälle
Je näher ich Lake Michigan wieder kam, desto mehr bremste mich der Wind aus. Der Höhepunkt war tatsächlich einmal auf einem kurzen Trail-Abschnitt zwischen zwei Seen und am Ende der Lakefront Trail, der direkt der Küste folgte. Zwischendurch ging es abschnittsweise durch Wohn- oder Industriegegenden, teilweise dann auch über die normalen Straßen. Zwar sah es hier nicht sonderlich gemütlich aus, aber die Menschen auf der Straße machten auf mich keinen besonders gefährlichen Eindruck. Letztendlich lief alles gut und ich kam ohne jegliche Kommentare nach Chicago. Im Gegenteil: Auf den Trails haben mich sogar überdurchschnittlich viele Radfahrer, Jogger und Spaziergänger gegrüßt und teilweise noch einen schönen Tag gewünscht.
Langersehnte Pizza
Am Ende ging dann alles ganz schnell und ich erreichte meinen Zielort in Chicagos Studentenviertel Hyde Park. Hier werde ich die nächsten Nächte auf der Couch in einer Studenten-WG übernachten, in die ich bereits herzlichst aufgenommen wurde. Da ich kein Mittagessen hatte und die zwei Bewohnerinnen, die aktuell hier waren, ebenfalls Hunger hatten, machten wir uns sehr früh auf zum besten „Chicago Pizza“-Restaurant der Gegend – ich hatte meinem Host immerhin seit Tagen davon erzählt, wie sehr ich mich auf die Deep Dish Pizza freuen würde, die eher einem Kuchen als einer Pizza gleicht. Nach drei Stücken war ich bereits so satt wie lange nicht mehr und der Weg zurück in die WG fiel mir sehr schwer. Das muss im Hinblick auf ein paar All-You-Can-Eat-Restaurants auf meiner Bucket-List noch ein bisschen besser werden.
Die Etappe auf Strava